Experimentelle  Musikwissenschaft 

Die Rhythmologie : ein Programm

Wenn die Uhren der Mitternacht

Eine grossmütige Zeit verschenken

Werde ich weiter gehen

Als die Vorruderer des Odysseus

(J.L. Borges)

 

Ist nicht jedes Drama und jede Komödie, jedes Schicksal, überhaupt das ganze Leben, eine Art Zusammentreffen gleichzeitiger und verschobener Rhythmen unterschiedlicher Akteure? Ist nicht der Zeitpunkt, wann etwas passiert, eingebettet in die jeweiligen rhythmischen Verläufe wimmelnder Individuen, Zellen und Welten, ebenso bedeutend oder vielleicht sogar bedeutender als, bzw. wie, dasjenige, was passiert?

 

(Am Anfang war das Wort:)

Rhythmus ist überall, aber dennoch wissen wir in der Regel wenig von seinen Eigenschaften. Das Wort selbst besitzt keinen wirklichen Zauber - wie etwa Zeit, oder Raum eine Aura besitzen - eher entstehen beim Klang des Wortes Stereotypen, wie Bilder des Schunkelns, oder des geschmeidigen Afrikaners, oder der Dampfmaschine, wissenschaftliche Zahlenreihen oder allenfalls Rhythm n blues. Gelegentlich steht auch eine fast mystische Erfahrung von Gesamtheit in Verbindung mit dem Rhythmus, im Wort selbst schwingen unterschiedlichste Konnotationen zersplitterter Kulturteilchen mit, die von den Versmassen der Antike über die verlorene Ursprünglichkeit bis hin zu modernen Wissenschaftszweigen wie der Chronobiologie reichen; zu vielschichtig und paradoxerweise zu einsilbig wiederholt schimmert das Wort zwischen Sagen der Weltentstehung, nüchtern verstiegenen Wissenschaften, Künsten am Rande der Spiritualität und alltäglichen Zuschreibungen.


Steffen A. Schmidt (Dr. phil. habil.)

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